13. Trebur Open Air

Emil Bulls

Freitag, 05.08.2005

Nach Stunden im Berufsverkehr schlagen wir zum Newcomer BOSSE auf dem kleinen, aber feinen Open Air Gelände am Treburer Schwimmband auf. Zeit für BOSSE bleibt keine, das Zelt muss vor dem erwarteten Regenguss stehen. Doch der bleibt aus. Bis auf einen kurzen Schauer hat es Petrus gut mit den Festivalbesuchern gemeint, die dieses Jahr leider nicht in allzu großen Scharen gekommen sind. Aber selbst Schuld, all die Daheimgebliebenen haben etwas verpasst!

Pünktlich zu den EMIL BULLS stehen wir wieder vor der Bühne. Die bayrischen 'NuMetaller' sind mit neuem Album im Gepäck angereist und beweisen damit, dass sie der Schublade 'NuMetal', in der sie sich ohnehin nie heimisch fühlten, entwachsen sind. Die EMIL BULLS verstehen es dennoch dem Publikum zu zeigen, wo der metallene Hammer hängt. Die, zu den harten, rotzigen, wummernden, aber doch fragilen Klängen bangende und pogende Menge, quittiert es mit tosendem Applaus.

 

Timid Tiger

 

Slut

TIMID TIGER, die unverdienter Weise nur auf der kleinen Bühne spielen, sind die Überraschung des Festivals. Die fünf Jungs aus Köln präsentieren eine Mischung aus erdigem Rock, treibenden Electrobeats mit einer Prise Glam, die sich nicht minder im Kleidungsstil der Anfang-Zwanzigjährigen wiederspiegelt. "TigerBeatElectroPunk" nennen sie das Ganze. Mod-Chic trifft Kindergeburtstag oder so ähnlich; denn nichts anderes ist ihre Liveshow: Eine ausgelassene Party. Sänger Keshav Purushotham und Gitarrist Christian Voß hüpfen wild über die Bühne, klatschen im Takt, es werden Flöten, Schellenkränze und alles andere was im Entferntesten Geräusche macht, ausgepackt. Instrumentals werden mit Handpuppen bebildert, Konfetti fliegt durch die Luft. Die Single "Miss Murray" lädt zum ausgelassenen Tanzen ein. Ein breites Grinsen kann sich niemand verkneifen. Das eingängige "Love Boat" wird vielen noch tagelang in den Ohren summen. Da schaut man sich später doch noch gerne das zweite Set von TIMID TIGER an, das nach dem Auftritt von SLUT angesetzt ist. Aber erst ein mal zur Hauptbühne und der bayrischen Schlampe.

Slut

Slut

Die Headliner SLUT aus Ingolstadt stehen verschüchtert auf der großen Bühne. Dabei ist Zurückhaltung bei SLUT gar nicht mehr angebracht, haben sie doch längst allen bewiesen, dass sie zu den besten deutschen Livebands dieser Tage zählen. "All we need is silence", Titel des aktuellen Longplayers, scheint heute Programm zu sein - der Sound in den vorderen Reihen ist unerwartet leise; die Zuschauer stört es nicht, die Band auch nicht. SLUTs Sound ist trotz dieses kleinen Problems so heiß, dass fast der Giatarrengurt von Gitarrist Rainer in Flammen aufgeht.

Spaßcombo des Abends sind ohne Frage THE BOSSHOSS aus dem fernen Nashville, für die feststeht, dass Hits wie "Like Ice In The Sunshine", "Hey Ya" oder auch t.A.T.u.s "All The Things She Said" aus ihrer eigenen Feder stammen. Britney Spears, Outkast und Konsorten haben sie lediglich bei ihnen bedient. Nun kommen die Originale zurück, natürlich im Nashville-Country-Style, stilecht mit Jeans, Cowboyhut und -stiefeln. Als Sahnehäubchen obendrauf drehen THE BOSSHOSS in Trebur ihre Live-DVD. - Dieser Anlass animiert das Publikum natürlich zu noch ausgelassenerer Party. Man ist ja nicht jeden Tag Hauptdarsteller einer DVD. Kreativ sind THE BOSSHOSS, keine Frage, sie verstehen ihr Fach - nach drei bis vier Country-Hits ist aber auch gut.

 

Slut

The Boss Hoss

Samstag, 06.08.2005

Samstag morgens sind die MESSER BRÜDER das Erste, das wir zu hören bekommen. Oder ist es bereits Mittag? Man weiß es nicht. Die Nacht war kurz, die Akustik des Zeltplatz konnte ohne Probleme mit Rock am Ring mithalten und die Sofas der Chillout-Area des Festivalgeländes sind zu bequem, um sich Gedanken um Zeiten zu machen. So sieht es auch der Rest des Treburer Publikums, das sich aus den Zelten geschält hat. Die kleine Schar an Zuschauern schaut ob der Mischung aus Pink Floyd spielen elektronischen Blues verdattert aus der Wäsche und auch die MESSER BRÜDER scheinen nicht ganz glücklich mit der Situation das Festival zu eröffnen, ja, sie sehen aus als fühlten sie sich missverstanden und Fehl am Platz. Und das waren sie hier vielleicht auch. "Abgefahrene Instrumentalmusik mit Beatbox und Rutschgitarre", wie Liedermacher Fred Timm es nennt, waren für die frühe Stunden wohl etwas zu gewagt.

Tele

Verlen

Der Bühnenumbau für FRED TIMM geht überraschend schnell. Ein Mann, eine Gitarre, was will man da groß umbauen. Wer glaubt, akustische Gitarrenmusik müsse zwangsläufig auf „Ein bisschen Frieden“ hinauslaufen, irrt. Fred Timm, ist Liedermacher, nur irgendwie unpolitisch. Liebe ist schon irgendwie ein Thema, aber auf humorvolle, ironische Weise. Fred Timm zeichnet sich nicht durch eine tolle Stimme, sondern durch Wortwitz, aus.
Alle Festivalbesucher die zu diesem Zeitpunkt sich schon aus dem Zelt gepellt haben sitzen oder stehen vor der Bühne und machen begeistert Singspiele mit.
Nach diesem witzigen Wachmacher, sind die Festivalbesucher auch bereit sich rockigeren Tönen hinzugeben.

Nahtlos geht es weiter mit THE BURSACER aus Wiesbaden. Großen Eindruck hinterlässt ihre zeitgenössiche Alternative-Interpretation mit California-Punk-Einschlag nicht. Man hat sich einfach satt gehört. Die RADIKAL SUNFLOWERS auf der großen Bühne sind da schon eine Spur experimenteller - LatinRagga und DubJazz. In allererster Linie ist das Darmstädter Trio ein Soundsystemprojekt, das aber auch als Liveband einiges auf die Beine stellt. Mal spanisch, mal deutsch, mal englisch, aber immer rau, ist der Sprechgesang, der sich über den Mix aus Reggea, Dancehall und Latino-Style legt. Gut oder nicht gut? Wichtige Frage, auf die es an dieser Stelle aber keine Antwort geben kann. Der Schreiber dieses Zeilen gibt zu nicht, aber auch gar nichts, von dieser Art Musik zu verstehen, selbst die Bandbiografie, die von Licks, Soca und Riddims erzählt, bleibt ein Buch mit sieben Siegeln. Daher: Raus gehen, ansehen und selbst eine Meinung bilden. Ist so doch auch viel schöner.

 

 

 

Fred Timm

Die Freiburger TELE haben ein durchweg sitzendes Publikum vor sich. Da die fünf TELE-Herren das gar nicht gerne sehen, setzen sie sich ebenfalls, mit der Bitte, das Publikum möge dann aufstehen. Ist ja auch nicht nett einfach so das rum zu sitzen. Der Plan geht auf und selbst die ein oder andere Tanzbewegung auf Seiten der Zuschauer wird gesichtet. So charmant wie TELE ihr Publikum fordern, so charismatisch ist auch der Rest ihrer eigentlichen Show. Das Leben wirkt so einfach, wenn man TELEs (Liebes-)Alltagstexten nahe an der Kitschgrenze lauscht. Lächeln und "Ach, wie süß!"-Rufe lassen sich da nicht vermeiden.

VERLEN freuen sich wie Schneekönige endlich, nach jahrelangem Zusehen, selbst die große Bühne des TOA erklimmen zu dürfen. Verlen bringen die Zuschauer dazu sich von ihren Hintern zu erheben und zumindest mit den Köpfen zu nicken. Als jedoch die Zuschauer richtig in Fahrt kommen, macht das Wetter mit und ergießt sich in Strömen und die Zuschauer flüchten in die überdachte Chill-Out-Zone zum Kuscheln, aus der sie zu den Elektropoppern KLEE aus Köln, übrigens die dritte Band des Festivals aus Raabs Bundesvisions-Songcontest, wieder hervor kommen. Zu KLEE gibt es aber gar nicht viel zu sagen, außer vielleicht, dass Sängerin Suzie Kerstgens so hoch quietscht, dass sie uns von der Bühne verscheucht.

Klee

Such A Surge

SUCH A SURGE, die deutschen Crossover-Pioniere aus Braunschweig, sind der Topact des Festivals. Seit nun mehr 14 Jahren musiziert das Quintett und hat endlich den Weg nach Trebur gefunden. Auch hier beschallen sie mit HipHop, Punkrock, Jazz und Metal das ausflippende Publikum. "Das wird heftig, ihr werdet schon sehen", sagt ein Mitarbeiter kurz vor Konzertbeginn. Aber heftig ist anders: Die erwarteten Crowdsurfer-Massen bleiben aus. Das Treburer Publikum ist eben ein ruhiges. Nichts destotrotz rocken SUCH A SURGE gewaltig, aber nicht gewaltig genug, um nicht doch verfrüht den langen Heimweg anzutreten.

An dieser Stelle könnte ich den Text aus dem letzten Jahr wieder direkt übernehmen. Das Trebur Open Air beweist auch bei der 13. Auflage, dass es zu den schönsten Festivals des Landes gehört. Die nette Security aus der Batschkapp, Musik nonstop, ein schönes Gelände, gutes Essen zu fairen Preise, die Chance gute unbekannte Bands für sich zu entdecken, liebevolle Organisation und und und machen das TOA zu dem was es ist: Durchweg sympathisch. Einziges Manko dieses Jahr war vielleicht so manche Bandauswahl, man kann es ja aber nie jedem Recht machen, und das Wetter, für das keiner was kann. Trotzdem haben viele Menschen ihre Treue zum TOA bewiesen und haben wacker gecampt und gerockt. Im nächsten Jahr wieder!


 

Such A Surge

 

 

Text und Fotos: Katrin Reichwein & Sonja Waschulzik – www.sounds2move.de / August 2005

 

Links: http://www.treburopenair.de/