Heaven Shall Burn „Wanderer“ / VÖ 16.09.2016
Heaven Shall Burn sind der Beweis dafür, dass man durch Publikumsnähe,
Ideenreichtum und nicht zuletzt natürlich hochwertige Alben verdammt weit kommen
kann, ohne sich den Zwängen einer Karriere als Profimusiker zu unterwerfen. So
müssen die Thüringer beispielsweise nicht neun Monate jährlich im Tour-Bus
verbringen, sondern erlauben es sich stattdessen, ihre Live-Aktivitäten
weitestgehend ihren regulären Jobs und dem eigenen Gutdünken anzupassen. Dennoch
hat man es längst auf die größten Festivalbühnen geschafft und kann gewaltige
Produktionen fahren - wer die Jungs diesen Sommer auf einem Open Air gesehen
hat, wird wissen was ich meine.
Die Gunst des Publikums ist den sympathischen Jungs bereits seit Jahren sicher,
das letzte Album „Veto“ debütierte gar auf Platz 2 der Albumcharts, was durchaus
einen Vermerk wert ist, gerade wenn man sich dem Death Metal/Metalcore
verschrieben hat und noch dazu wert auf anspruchsvolle Texte legt. Dies hat sich
natürlich auch mit „Wanderer“ nicht geändert, und auch klanglich geht man den
Weg von „Veto“ weiter, das zwar wie seine Vorgänger verdammt fett klingt, aber
gleichzeitig auch ein „Album der Erkenntnis“ in produktionstechnischer Hinsicht
war. Man realisierte, dass eine Scheibe nicht nur dadurch mächtig klingt, dass
man möglichst viel Tonspuren verwendet. Das Gegenteil war nämlich der Fall: Der
Sound klang in der Folge weitaus lebendiger, die einzelnen Songs hatten mehr
Platz zum Atmen und um sich zu entfalten. Das kann man auch von „Wanderer“
behaupten, das noch dazu ähnlich monumental ausfällt wie das sprichwörtlich
herausragende Artwork. In ihren achten Longplayer stecken Heaven Shall Burn
nämlich nicht nur unbändige Power und Wucht, sondern auch unfassbar viele geile
Melodien und eine Hook-Dichte, die man in dieser Konzentration noch nie von dem
Quintett aus Saalfeld zu hören bekommen hat. Jedes Stück ist mit großartigen
Gitarrenharmonien ausgestattet, die sich die metallischen Großmeister aus
Skandinavien kaum besser hätten ausdenken können. Konkret sind hiermit Bands wie
Dark Tranquillity, Edge of Sanity und At the Gates gemeint, womit man ziemlich
schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass Heaven Shall Burn noch nie so nah am
klassischen Melodic Death Metal gebaut haben wie mit diesem Silberling. Alles
selbstverständlich ohne Klargesang von Frontmann Marcus Bischoff oder sonstige
Kompromisse, die Höhepunkt setzt man lieber mit herausragend arrangierten und in
Szene gesetzten Gitarrenläufen und vertraut ansonsten auf die Wucht der eigenen
Live-Shows, die eine weitere Säule im monströsen Klanggebilde von „Wanderer“
bildet. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Konstellation ist der Fakt, dass man
nicht von diesem Album erschlagen wird wie es noch bei manch älterem Werk von
Heaven Shall Burn der Fall war. Stattdessen hangelt man sich bereitwillig von
Hit zu Hit und feiert „Bring the War home“, „River of Crimson“ und etwa „Downshifter“
euphorisch ab, verneigt sich aber auch gerne vor dem melodischen Höhepunkt
„Passage of the Crane“ oder dem stimmungsvollen finalen Epos „The Cry of Mankind“
(inklusive Gastgesang von Aðalbjörn Tryggvason von Solstafir).
Wo wir gerade so schön den Hofknicks machen, können wir auch gleich unten
bleiben und ehrfurchtsvoll den Hut vor „Wanderer“ ziehen, das in allen Belangen
eine Machtdemonstration darstellt und seine Schöpfer in noch höhere
Popularitätssphären katapultieren dürfte. Schlichtweg beeindruckend.
Markus Rutten -
www.sounds2move.de