Deadlock "Hybris" / VÖ 08.07.2016

 

 

 

Seit ihrem letzten Langspieler "The Arsonist" gab es bei Deadlock nicht nur einen Labelwechsel zu vermelden und dazu die Veröffentlichung einer aus neu eingespielten Songs kompilierten Best-Of Scheibe, sondern auch zwei einschneidende Ereignisse und Veränderungen. Zu aller erst muss hier natürlich der viel zu frühe Tod von Schlagzeuger und Gründungsmitglied Tobias Graf genannt werden, der Band und Szene 2014 erschütterte. Nachdem man im letzten Jahr außerdem auf Sängerin Sabine Scherer verzichten musste, die zum zweiten Mal Mutter wurde, hat die zierliche Frontfrau ihren Platz mittlerweile komplett geräumt, um sich voll und ganz ihrer Familie widmen zu können. Für die Nachfolge haben Deadlock kurzerhand Scherers Vertretung Margie Gerlitz zum vollwertigen Mitglied befördert, die jetzt auf "Hybris" erstmalig auf einer offiziellen Studioveröffentlichung zu hören ist.

 

Es gäbe also einige nachvollziehbare Gründe dafür, wenn sich der Sound von Deadlock zumindest ein bisschen verändert hätte, was jedoch nur bedingt zutrifft. Und das soll gar nicht negativ aufgefasst werden, denn vielmehr hat die Band es ohnehin seit Jahren geschafft, ihre Trademarks auch bei wechselnder Besetzung zu erhalten, ohne auf der Stelle zu treten. Da nach dem Shouter (2009 kam John Gahlert für Joe Prem) jetzt auch der weibliche Klargesang neu besetzt wurde, bestand natürlich eine grundsätzliche Chance auf eine neue Ausrichtung, die Vordenker Basti Reichl und Co. jedoch dankend abgelehnt haben. Gerlitz ist dabei zwar kein Klon ihrer Vorgängerin und klingt etwas weniger lieblich, stimmlich haben die beiden Frauen dennoch gewisse Gemeinsamkeiten, die für Vertrautheit sorgen, dabei aber nicht die Neugier auf "die Neue" verwässern. Gut so, denn Margie macht ihre Sache gut und eröffnet Deadlock sogar neue Möglichkeiten. Bestes Beispiel hierfür ist das ungewöhnliche "Ein deutsches Requiem". Dem Titel entsprechend bestimmen zu Beginn nämlich glockenklarer Sopran und eine bombastische Soundtracklandschaft das Geschehen, bevor fette Drums und derbe Grunts die schöne cineastische Traumwelt in die metallische Realität zurückholen. Solche Spiele mit Stilbrüchen und eigentlich unpassenden Genres kennt man als Fan von Deadlock (Hip Hop in "Deathrace", House-Beats in "The Moribund Choir vs. The Trumpets of Armageddon" - beide auf "Manifesto" veröffentlicht), entsprechend ausgeprägt dürfte bei den meisten Anhängern die Toleranz mittlerweile sein. Davon abgesehen ist die Nummer sowieso clever arrangiert und einfach gelungen, allerdings sind die Stärken der Band im Bereich Songwriting längst kein Geheimnis mehr. Ebenso wenig wie die Fähigkeiten der einmal mehr glänzenden Saitenfraktion, die auch die kommerziell deutlich erfolgreicheren Freunde und Kollegen Heaven Shall Burn vor Neid erblassen lässt. Diese sicherten sich deshalb bereits vor Jahren einen Gastbeitrag von Basti Reichl für "Given in Death". Als letztes Gründungsmitglied und kreativer Vordenker, der traditionell auch die Produktion der Alben in die eigenen Hände nimmt, behält der Süddeutsche die Zügel in der Hand und schneidert Deadlock einmal mehr feinste Melodic Death-Hymnen auf den Leib, etwa "Welcome Deathrow" (samt coolem Shout-Part vor dem Chorus) und das zwischen Dampfhammer, mitreißender Emotionalität und stilsicheren Gitarrenharmonien oszilierende "Berserk". Ein ähnliches Wechselspiel zwischen Licht und Schatten ist auch bei "Wrath - Salvation" zu beobachten, bei dem die Rollen zwar von vornherein klar verteilt sind, was der Intensität jedoch keinen Abbruch tut.

 

Betrachtet man den Titel "Hybris", also die Selbstüberschätzung, dann haben Deadlock damit sicher nicht sich selbst gemeint, denn nicht nur haben sie eine Platte vom Stapel gelassen, die durchaus gegen viele Genregrößen anstinken kann, sondern das Ganze auch noch in einem stimmigen Gesamtpaket zusammengeführt, in dem nicht mal das experimentelle "Ein deutsches Requiem" wirklich aus dem Rahmen fällt. Schon lange wünscht man Deadlock weiter steigenden Erfolg - nicht nur aus persönlicher Sympathie, sondern auch weil ihre beachtliche, konstant hohe Qualität und ihre Hartnäckigkeit es einfach verdient haben. Allerhöchste Zeit, dass dieser Band endlich der nächste Schritt vom Sprungbrett in die vordersten Reihen gelingt. Anlauf genommen und Dreck gefressen hat man längst genug.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de