Interview mit Mariusz Duda von RIVERSIDE


Im Gespräch mit s2m: Mariusz Duda (2. v. r.) von Riverside

Ihr tourt nun bereits seit mehreren Wochen mit dem neuen Material von „Love, Fear and the Time Machine“ im Gepäck. Wie machen sich die Songs denn in der Live-Situation?

Sie helfen uns sehr dabei, unsere Setlist dynamischer zu gestalten. Auch dank dieses Umstands halte ich unsere momentanen Shows für die besten, die wir bisher gespielt haben. Diese Tour ist sehr intensiv und wir genießen sie in vollen Zügen. Die Songs haben definitiv eine andere Stimmung als unsere bisherigen. Bei den Konzerten mischen wir das neue Material aber mit älteren Liedern, um eine möglichst abwechslungsreiche Zusammenstellung zu erreichen.

„Love, Fear and the Time Machine“ konzentriert sich im Vergleich zu euren früheren Werken stärker auf kürzere, Melodie orientierte Lieder und weist auch eine für eure Verhältnisse geradezu entspannte Atmosphäre auf. War das etwas, das du dir schon beim Schreiben vorgenommen hast, oder ergab sich diese Ausrichtung erst im Arbeitsprozess?

Diese Ausrichtung der neuen Songs ist insbesondere meiner persönlichen Lebenssituation geschuldet. Als ich das Album schrieb, befand ich mich gewissermaßen in einer Übergangsphase. Vor allem kam es mir darauf an, meinen inneren Frieden zu finden. Ich wollte nicht mehr wütend sein und nicht mehr das Gefühl haben, gegen die Umstände kämpfen zu müssen. All das wollte ich loslassen. Und das spiegelte sich dann auch in der Musik wider, die ich komponierte. In der Folge konzentrierte ich mich stärker auf Melodien, Stimmung und Räumlichkeit der Stücke. Deshalb klingt das neue Album auch so, wie sein Cover aussieht.
Die Musik, die ich schreibe, ist eigentlich immer mehr oder weniger mit meiner eigenen Gemütslage verknüpft. Diesmal ist das Album aber ganz besonders persönlich geworden. Es war mir wichtig, das widerzuspiegeln, was im Verlaufe des letzten Jahres in meinem Kopf passiert ist. Es war eine Zeit, in der ich wichtige, lebensverändernde Entscheidungen treffen musste. Und darum geht es auch auf dem Album – um die Frage, was wir denken und wie wir reagieren, wenn wir einschneidende Entscheidungen zu treffen haben.

Wie schon angeklungen ist, handelt es sich bei „Love, Fear and the Time Machine“ auch um das erste Riverside-Album, bei dem die Kompositionen dir allein zugeschrieben werden. In den Booklets der vorherigen Alben hieß es immer „Music by Riverside“. Hat sich demnach eure Arbeitsweise verändert?
 

In dieser Band war ich von Anfang an der Hauptkomponist. Auch schon früher hatte ich einige der Songs allein geschrieben, jedoch einigten wir uns dann trotzdem darauf, die ganze Band als Songschreiber anzugeben. Aber auf dem neuen Album ist beinahe jede Note von mir. Außerdem ist, wie gesagt, ja auch besonders viel Persönliches von mir mit eingeflossen. Deshalb bin ich diesmal auch allein verantwortlich.

Fertigst du denn schon Demo-Versionen der Stücke an, ehe du sie den anderen Bandmitgliedern vorstellst?

Nein, wir arbeiten schon meistens gemeinsam an den Stücken. Nur bin ich dabei derjenige, der den Song bereits im Kopf hat, so dass meine Freunde meinen Instruktionen folgen. Gelegentlich fügen sie aber auch etwas Eigenes hinzu. Ich versuche also vor allem, im Beisein der anderen zu komponieren. Manchmal bereite ich auch einen ganzen Song vor und bringe ihn mit ins Studio, aber überwiegend versuche ich, beim Schreiben die Interaktion zu gewährleisten. Wenn es sich dabei herausstellt, dass einer der Anderen ein bestimmtes Lied nicht mag, dann lege ich es beiseite. Denn ein Stück, das nicht uns allen gefällt, ist auch nicht passend für die Band. Ich bin niemand, der einen anderen dazu zwingt, Sachen zu spielen, die er selbst gar nicht mag.
 

Schon von Anfang an war bei Riverside der Bass erfreulich präsent im Gesamtklang der Band. Benutzt du dieses Instrument denn auch als Werkzeug zur Komposition oder kommt er erst später hinzu?

Viele der Gitarrenriffs, die du letztendlich auf den Alben hörst, sind eigentlich auf dem Bass geschrieben worden. Aber auch sonst haben viele der Songideen auf diesem Instrument ihren Anfang gefunden. Das liegt nicht nur daran, dass ich sowohl der Songschreiber als auch der Bassist der Band bin, sondern auch daran, dass ich das als originell empfinde. Von Anfang an habe ich für unsere Musik nach unüblichen Strukturen gesucht und finde es eben interessant, wenn der Bass auch Melodien spielt, statt immer nur im Hintergrund zu stehen. Deshalb habe ich das zu einem Teil unseres individuellen Stils gemacht. Zumeist komponiere ich aber auf dem Keyboard oder der Akustikgitarre. Vor allem auf der Akustikgitarre. Dabei nehme ich meine Ideen meist einfach mit meinem Diktaphon auf. Ich denke, für einen guten Song ist es wichtig, dass er auch funktioniert, wenn man ihn mit der Gitarre am Lagerfeuer spielt. Das ist auch schon der ganze Zauber bei meiner Art, Musik zu kreieren. Es ist so kompliziert, sich erst mit Pro Tools auseinanderzusetzen und die Songs am PC zu erarbeiten – das versuche ich so weit wie möglich zu umgehen. Ich arbeite lieber direkt mit den anderen Jungs.

Auf dem letzten Album deiner Zweitband Lunatic Soul hast du dich noch mit dem Thema Selbsttötung auseinandergesetzt. Ist denn „Love, Fear and the Time Machine“ vielleicht auch als direkte Reaktion darauf so viel positiver geworden? Denn eine gewissenhafte Entscheidung für oder gegen einen Suizid ist ja nur möglich, wenn man alle dafür relevanten Faktoren abwägt – und sich dazu auch erst einmal wieder die schönen Seiten des Lebens vergegenwärtigt.

Sicher. Das erste, was man dazu wissen muss, ist, dass es sich bei „Walking on a Flashlight Beam“ um das Prequel zu den schwarzen und weißen Lunatic Soul-Alben handelt. Diese beiden Alben handeln vom Tod. Im zugehörigen Prequel musste also der Hauptcharakter der Geschichte sterben. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, ihn zum Suizidenten zu machen. Ich befasste mich schon immer viel mit der Dunkelheit und mochte das auch. Nach dem letzten Lunatic Soul-Album hatte ich dann aber eine Art persönlicher Krise, weil ich feststellte, von wie viel Dunkelheit ich eigentlich umgeben war. Aus diesem Grunde habe ich mich bei der neuen Riverside-Platte auch selbst dazu herausgefordert, etwas anderes, weniger düsteres zu machen. Ich wollte dem Dunkel entfliehen. Allerdings glaube ich, dass das nächste Lunatic Soul-Album wieder düster werden wird – solches Zeug mag ich noch immer. Es war dessen nur etwas zu viel in jüngerer Zeit. Und die Reaktion darauf ist insbesondere ein Song wie „Found“, mit dem ich mich auch durchaus selbst finden und neu ausrichten wollte. Er bringt mein neues Motto zum Ausdruck: „Das Leben ist nicht scheiße, sondern du bist scheiße, wenn du glaubst, das Leben wäre scheiße!“ Deinen Lebensweg wählst du selbst – deshalb kannst du nicht anderen die Schuld an deinen eigenen Fehlschlägen geben, sondern musst dafür die Verantwortung übernehmen.


Gewissermaßen ist „Love, Fear and the Time Machine“ nicht nur mit dem letzten Lunatic Soul-Album, sondern auch mit der vorherigen Riverside-Platte „Shrine of new Generation Slaves“ verknüpft. „S.O.N.G.S.“ beschrieb die Situation, dass man nicht glücklich werden kann, weil man jemanden verkörpern muss, den man hasst, und weil man sich wie ein Sklave fühlt. In einer solchen Lage hat man zwei Optionen: Wenn man sich wie ein Sklave fühlt und dem entfliehen möchte, dann kann man sich – so wie der Hauptcharakter der letzten Lunatic Soul-Platte – von der Umwelt abschotten und über Monate hinweg das Haus nicht verlassen. Oder man entschließt sich dazu, etwas an seinem Leben zu ändern, so dass man sich nicht mehr wie ein Sklave fühlen muss. Dazu muss man seinen eigenen Weg wählen. Manche wählen beispielsweise den Glauben an Gott, manche wenden sich einem gesunden Lebensstil zu, andere entschließen sich dazu, kürzer zu treten, wieder andere ändern etwas an den menschlichen Beziehungen, die sie pflegen, oder an dem Job, den sie ausüben, und nehmen dadurch wieder wahr, dass das Leben etwas Schönes ist. Ich weiß, dass das viele Leute für ein Klischee halten. Aber ich halte es für eines der wichtigsten Dinge des Lebens, sich glücklich zu fühlen. Leider finden viele Leute das erst heraus, wenn es zu spät ist. Wenn sie 40, 50, 60 Jahre alt werden und feststellen, dass sie durch ihr gesamtes bisheriges Leben gehetzt sind, ohne wirklich etwas zu erreichen. Ich bin jetzt jedenfalls an dem Punkt angelangt, dass ich nur noch tun möchte, womit ich selbst glücklich bin. Und ich fühle mich selbstbewusst genug, mein eigenes Ding zu machen.
 

In diesem Jahr feierte auch euer zweites Album „Second Life Syndrome“ bereits seinen zehnten „Geburtstag“. Diese Platte bedeutete für euch bereits einen großen Durchbruch in der Prog-Szene. Wie denkst du mit einer Dekade Abstand über dieses Meisterwerk?

Mit diesem Album haben wir bewiesen, dass Melodie und ein härterer Ansatz gut zusammenpassen können. Ich denke, auf dem Album sind viele gute Songs. Insgesamt halte ich es für eine recht düstere Platte. Eines Tages sollten wir dem Album vielleicht einen Remix spendieren, um ihm einen besseren Sound zu verpassen. Denn es hat meiner Meinung nach einen besseren Klang verdient.

Florian Gothe - www.sounds2move.de

 

Link: www.riversideband.pl